I. Einführung: Die Definition von Leggings im Wandel der Zeit
Die moderne Vorstellung von Leggings bezieht sich zumeist auf elastische, eng anliegende Kleidungsstücke, die über den Beinen getragen werden und seit den 1960er Jahren typischerweise mit Frauen assoziiert werden.1 Diese zeitgenössische Definition ist jedoch recht eng gefasst und stark durch Geschlechterstereotype geprägt. Um die Frage zu beantworten, ob Männer früher auch Leggings trugen, ist es notwendig, den Begriff weiter zu fassen und historische Kleidungsstücke zu betrachten, die ähnliche Funktionen erfüllten, unabhängig von ihrer spezifischen Bezeichnung.
Leggings und vergleichbare Beinbekleidungen haben eine vielfältige Geschichte. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie in verschiedenen Formen und unter unterschiedlichen Namen sowohl von Männern als auch von Frauen getragen, primär zum Schutz vor Kälte und zur Wärmeerhaltung.1 Diese historische Perspektive zeigt, dass die Nutzung von Leggings durch Männer kein neuzeitliches Phänomen ist.
Im Kontext dieser Untersuchung ist es hilfreich, einige verwandte historische Begriffe einzuführen. Ein wichtiger Begriff ist die Hose. Im europäischen Raum bezeichnete „Hose“ vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert verschiedene Arten von Männerbekleidung für die Beine und den Unterkörper. Sie gilt als historischer Vorläufer moderner Begriffe wie „Strumpfhosen“ und „Hosiery“.4 Diese Hosen waren im Wesentlichen Strumpfhosen, die vom Bund bis zu den Füßen reichten, oft aus Wolle gefertigt und eng anliegend, wodurch sie in ihrer Funktion modernen Leggings ähnelten.
Ein weiterer relevanter Begriff sind Tights (englisches Wort für Strumpfhosen oder Leggings). Diese leiten sich ursprünglich von den Hosen ab, die europäische Männer über Jahrhunderte hinweg trugen, und waren aus praktischen Gründen, insbesondere beim Reiten, möglichst eng geschnitten.5 Die frühe Verbindung von Tights mit Männerbekleidung, insbesondere im Adel, unterstreicht eine historische Assoziation mit dem männlichen Geschlecht.
Zusätzlich spielten Gamaschen (Puttees) und Beinwickel eine Rolle. Im 19. Jahrhundert bezog sich der Begriff Leggings oft auf Beinbekleidung für Kleinkinder, die mit einer Jacke kombiniert wurde, aber auch auf Beinwickel aus Leder oder Wolle, die von Soldaten und Fallenstellern getragen wurden, um Schutz und Unterstützung zu bieten.1
Ziel dieses Berichts ist es, die historische Verbreitung und Entwicklung von Leggings und ähnlicher Beinbekleidung bei Männern in verschiedenen Epochen zu untersuchen.
II. Antike Beinbekleidung: Funktionalität und Schutz
Schon in antiken Zivilisationen gibt es Hinweise darauf, dass Männer Beinbekleidung trugen, die primär der Wärme, dem Schutz und teilweise auch als eine Form von Rüstung diente.2 Diese frühen Formen von Leggings waren in erster Linie funktional und nicht spezifisch einem Geschlecht zugeordnet. So trugen beispielsweise Männer im alten Ägypten und Griechenland Leggings zum Schutz und zur Wärmeerhaltung, und es gab sogar Varianten, die als eine Art Rüstung dienten.
Ein bedeutender Fund, der die frühe Nutzung von Beinbekleidung durch Männer belegt, sind die ältesten bekannten Hosen, die in China entdeckt wurden und auf die Zeit zwischen dem 13. und 10. Jahrhundert v. Chr. datiert werden.11 Diese Wollhosen mit geraden Beinen und weitem Schritt waren wahrscheinlich für das Reiten konzipiert. Dieser archäologische Beweis deutet auf eine frühe Verbindung zwischen eng anliegender Beinbekleidung und männlichen Aktivitäten wie dem Reiten hin. Ein weiteres frühes physisches Beispiel für Leggings sind die Beinbekleidungen, die bei Ötzi dem Mann aus dem Eis gefunden wurden und auf die Zeit zwischen 3350 und 3105 v. Chr. datiert werden.2
Auch bei iranischen und zentralasiatischen Völkern waren Hosen in der Antike verbreitet, und es wird angenommen, dass diese von Menschen beiderlei Geschlechts getragen wurden.12 Diese historischen Berichte verschiedener antiker Kulturen, in denen Hosen für Männer üblich waren, legen eine breite frühe Akzeptanz nahe.
Im Gegensatz dazu standen die Griechen und Römer anfangs Hosen ablehnend gegenüber und betrachteten sie als Zeichen von Barbarei.12 Mit der Expansion des Römischen Reiches erkannte man jedoch die wärmende Funktion von Hosen, was schließlich zu ihrer Adaption führte.12 In Rom entwickelten sich zwei Haupttypen von Hosen: die Feminalia, die eng anliegend waren und typischerweise bis zum Knie oder zur Mitte der Wade reichten, und die Braccae, die locker geschnitten waren und an den Knöcheln geschlossen wurden.12 Beide Arten wurden ursprünglich von den Kelten Europas übernommen und erlangten später aufgrund der Vertrautheit mit dem persischen Nahen Osten und den germanischen Völkern Akzeptanz.
III. Das Mittelalter und die Renaissance: Die Dominanz der Hose
Vom 13. bis zum 17. Jahrhundert erlebte die „Hose“ in Europa eine Blütezeit als vorherrschende Beinbekleidung der Männer.1 Diese Hosen waren im Grunde Strumpfhosen, die die Beine vom Bund bis zu den Füßen bedeckten. Ihre weite Verbreitung in dieser Epoche zeigt, dass Männer routinemäßig Kleidungsstücke trugen, die den modernen Leggings sehr ähnlich waren.
Die mittelalterlichen Hosen waren oft eng anliegend und wurden typischerweise aus Wolle gefertigt, wodurch die Form der Beine betont wurde.4 Anfangs bestanden sie aus zwei separaten Teilen für jedes Bein, entwickelten sich aber später zu einer am Schritt verbundenen Hose, die den heutigen Tights ähnlicher war.1 Im Gegensatz zu modernen elastischen Leggings wurden diese Hosen durch Schnürung am Wams oder Gürtel befestigt, um ein Herunterrutschen zu verhindern.4
Die Hosen dieser Zeit wiesen eine bemerkenswerte Vielfalt an Farben und Mustern auf, wobei im 15. Jahrhundert insbesondere mehrfarbige oder mi-parti-Hosen populär waren, bei denen jedes Bein eine andere Farbe hatte.4 Während Wolle das gängige Material war, trugen Adlige oft Hosen aus feinerer Seide, was die soziale Stellung widerspiegelte. Einige frühe Hosenmodelle besaßen sogar integrierte Fußteile oder Ledersohlen, was ihre Vielseitigkeit als vollständige Bein- und Fußbekleidung unterstreicht.4
Die Hose war im Mittelalter und der Renaissance nicht nur ein funktionales Kleidungsstück, sondern auch ein Ausdruck von sozialem Status und Modebewusstsein. Es galt als modisch für Männer, die Form ihrer Beine durch eng anliegende Hosen zur Schau zu stellen.4 Die Qualität und Farbe der Hosen waren deutliche Indikatoren für den sozialen Rang des Trägers.4
Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Männerhosen dieser Zeit, insbesondere als die Wämser kürzer wurden und die verbundenen Hosen aufkamen, war die Verwendung von Schamkapseln (codpieces).4 Die Schamkapsel, ursprünglich ein einfaches Stoffstück zur Bedeckung der Genitalien, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem auffälligen Modeaccessoire.
Im 17. Jahrhundert begann die Hose allmählich an Bedeutung zu verlieren und wurde durch Kniehosen (breeches) und separate Strümpfe ersetzt.4 Dieser Übergang markierte das Ende der Ära, in der die Hose die primäre Beinbekleidung für Männer in Europa darstellte.
IV. Leggings in Militär und Sport: Praktische Anwendungen
Ab dem 19. Jahrhundert erlebten Leggings, Gamaschen und ähnliche Beinbekleidungen eine Renaissance im militärischen Kontext.1 Hier dienten sie primär praktischen Zwecken wie dem Schutz der Beine und der Unterstützung des Knöchels. Diese militärischen Leggings waren oft aus Leder oder Wolle gefertigt und wurden von Soldaten und Fallenstellern getragen.
Ein typisches Beispiel hierfür sind die Puttees, dicke Wollstreifen, die um das Bein gewickelt wurden, um den Unterschenkel zu schützen und den Knöchel zu stabilisieren.1 Später wurden Puttees in einigen Armeen durch Canvas-Leggings ersetzt, die mit Schnallen oder Knöpfen befestigt wurden.1 Leggings waren in verschiedenen Armeen während des Ersten und Zweiten Weltkriegs weit verbreitet 1, so auch in der US-Armee und dem Marine Corps. Mit der Einführung von hochgeschlossenen Kampfstiefeln in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwanden die militärischen Leggings jedoch allmählich.1
Auch im sportlichen Bereich lassen sich historische Beispiele für Männer in leggingsartiger Bekleidung finden. Bereits im 14. Jahrhundert wurden in Schottland Leggings sowohl im privaten als auch im militärischen Kontext getragen.14 In der modernen Zeit werden Leggings von Läufern, Tänzern und anderen Sportlern für Wärme, Unterstützung und verbesserte Leistung verwendet.1 Der Begriff „Meggings“ hat sich für Herren-Leggings etabliert, die sowohl im sportlichen Bereich als auch als modisches Statement getragen werden.1 Nicht zu vergessen sind die traditionellen Tights, die von männlichen Ballettänzer getragen werden, um die Linien ihrer Beine zu betonen und uneingeschränkte Bewegungsfreiheit zu gewährleisten.6
V. Der Übergang zur Damenmode: Eine geschlechtsspezifische Verschiebung
Die primäre Assoziation von Leggings mit Frauen entwickelte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts.1 Dieser Wandel vollzog sich in mehreren Schritten. Bereits im 19. Jahrhundert begannen Frauen, eigene Variationen von Leggings zu tragen.1 Ein wichtiger Wendepunkt war die Popularisierung enger schwarzer Caprihosen durch Audrey Hepburn in den 1950er Jahren, die den Weg für Leggings ebnete.14
Die eigentliche Revolution erlebten Leggings jedoch in den 1960er Jahren mit der Erfindung von Lycra (Spandex) durch Joseph Shivers. Dieses dehnbare Material ermöglichte die Herstellung moderner elastischer Leggings, die primär an Frauen vermarktet wurden.1 In den 1970er und 1980er Jahren entwickelten sich Leggings zu einem bedeutenden Modetrend für Frauen, befeuert durch Prominente wie Debbie Harry, Olivia Newton-John und Madonna sowie den Aerobic-Boom mit Jane Fonda.1 Im späten 20. und 21. Jahrhundert etablierten sich Leggings als fester Bestandteil der Damengarderobe und entwickelten sich in verschiedenen Stilen weiter, bis hin zum Athleisure-Trend.1
Es ist jedoch bemerkenswert, dass in jüngster Zeit eine erneute Tendenz zu beobachten ist, dass Männer Leggings („Meggings“) für Mode und Sport entdecken, was möglicherweise zu einer Rückkehr zu einer geschlechtsneutraleren Wahrnehmung dieser Kleidungsart führt.1
VI. Historische Darstellungen und Beschreibungen: Visuelle und Textuelle Belege
Es existiert eine Vielzahl historischer Illustrationen, Gemälde und schriftlicher Aufzeichnungen, die Männer in leggingsartiger Bekleidung aus verschiedenen Epochen zeigen.1 Diese visuellen und textuellen Zeugnisse bestätigen die historische Nutzung von leggingsähnlichen Kleidungsstücken durch Männer.
Mittelalterliche Kunstwerke stellen häufig Männer in Hosen dar 4, die eng anliegend waren und somit der Funktion von Leggings entsprachen. Gemälde und Illustrationen schottischer Männer in Trews, einer weiteren Form von Leggings, sind ebenfalls vorhanden.1 Fotografien aus dem 19. und 20. Jahrhundert zeigen Soldaten in militärischen Leggings oder Puttees.1 Darüber hinaus finden sich in der Literatur und in historischen Berichten Beschreibungen von Männern, die enge Beinbekleidung trugen.25
VII. Schlussfolgerung: Leggings als historisch unisex Kleidungsstück
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Leggings und ähnliche Formen der Beinbekleidung über Jahrhunderte hinweg von Männern in verschiedenen Kulturen und für unterschiedliche Zwecke getragen wurden. Ob zum Schutz vor Kälte, im militärischen Einsatz, beim Sport oder als modisches Statement – die Nutzung von eng anliegender Beinbekleidung durch Männer hat eine lange Tradition.
Die moderne Assoziation von Leggings primär mit Frauen ist eine relativ junge Entwicklung, die maßgeblich durch Modetrends des 20. Jahrhunderts und die Einführung neuer Materialien wie Lycra beeinflusst wurde. Die Geschichte der Leggings zeigt jedoch, dass es sich um ein Kleidungsstück handelt, das traditionell nicht nur Frauen vorbehalten war.
Die gegenwärtige Wiederentdeckung der Leggings durch Männer im Bereich von Mode und Sport deutet möglicherweise auf eine zukünftige Entwicklung hin, in der diese Art von Beinbekleidung wieder geschlechtsneutraler wahrgenommen wird. Die Mode unterliegt einem ständigen Wandel, und die Grenzen zwischen traditionell männlicher und weiblicher Kleidung verschwimmen zunehmend. Die Leggings könnten somit zu ihrer ursprünglichen Vielseitigkeit zurückfinden, die sie in ihrer langen Geschichte bereits mehrfach bewiesen haben.